Der deutsche Dichter Heinrich Heine litt an Schlaflosigkeit, beim Gedanken an Deutschland – so jedenfalls brachte er es in seinem „Wintermärchen“ zum Ausdruck. Zwar lebe ich nicht wie Heine im Exil, aber die aktuellen politischen Entwicklungen im Heimatland, erzeugen ähnliche Gefühle. Als erstes kommt mir da natürlich die Pandemie in den Sinn, die gerade verabschiedete Neufassung des Infektionsschutzgesetzes, die damit weiter verschärften Einschränkungen der Grundrechte (Freizügigkeit, Demonstrations- und Versammlungsrecht, Bildung als Beispiele). Die wackligen -weil herbei gerechneten – Begründungen für die Neufassung überzeugen nicht. Und ausgerechnet die neoliberale FDP und die faschistoide, wenn nicht sogar faschistische AfD sind die einzigen Parteien, die im Parlament Widerstand leisten. Von den Grünen hatte ich nichts anderes erwartet, die Linke bestätigt meine Vorbehalte …
Mehr Sorgen macht die russophobe Politik der Regierung, insbesondere die sogenannte Aussenpolitik. Seit Genscher nehme ich einen stetigen Abwärtstrend bei der Besetzung der Position des Aussenministers wahr. Haltet euch vor Augen, wer in den vergangenen 20 Jahren Minister dieses Ressorts war, vielleicht versteht ihr dann was ich meine. Die Märchenstunde um die Skripals wurde noch einmal getoppt durch das Schauspiel Nawalny, wo Deutschland eine unsägliche Kampagne gegen Russland eröffnete – ohne Beweise, ohne Sinn und Verstand. An vorderster Front immer der kleine Mann im Maßanzug …
Vorgestern nun reagierte das russische Aussenministerium auf eine Rede des deutschen Botschafters in Litauens. Bei der Eröffnung eines Denkmals für Opfer des Holocausts in Vilnius äußerte dieser, dass das Ziel der Befreiung der Roten Armee Deutschlands vom Nationalsozialismus sei nichts weiter, als die Etablierung von Stalins repressiver Herrschaft in dem besiegten Land gewesen. Wohlgemerkt nicht als prvate Meinungsäußerung, sondern in einer Rede in seiner offiziellen Funktion!
Immerhin reagiert Russland inzwischen auf solch hanebüchenen und geschichtsfälschenden Verlautbarungen offizieller deutscher Vertreter (von Diplomaten möchte ich in diesem Zusammenhang bewusst nicht schreiben). Wegen dem Verhalten der deutschen Regierung im Fall Navalny kündigte Russlands Aussenminister Lawrow inzwischen Gegensanktionen an, zum Eklat in Vilnius gibt es eine Reaktion der Sprecherin des russischen Aussenministeriums:
Wir müssen mit Bedauern feststellen, dass in jüngster Zeit in Deutschland ein pseudohistorisches Narrativ immer aktiver gefördert wurde, das die UdSSR im Zusammenhang mit der Entstehung des Zweiten Weltkriegs mit dem Dritten Reich gleichsetzt und die kommunistischen und nationalsozialistischen Regime auf eine Stufe stellt. Dies geschieht offensichtlich in dem Bemühen, die Verantwortung Deutschlands für die unmenschlichen Verbrechen des Nationalsozialismus abzuschütteln. Diesen Ansatz lehnen wir kategorische ab und er stellt das beispiellose Ausmaß der menschlichen Selbstüberwindung der Nachkriegsversöhnung zwischen Russen und Deutschen in Frage.
Beide Reaktionen sind starker Tobak und unmissverständliche Signale der traditionell eher zurückhaltenden Diplomaten Russlands.
Denk ich an Deutschland in der Nacht …