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Fragen eines lesenden Arbeiters – Bertold Brecht

Brecht 1954 (Quelle: Wikipedia)
Brecht 1954 (Quelle: Wikipedia)

 

 

Manchmal muss man sich erinnern, gelesenes hinterfragen. Das ist für mich die entscheidende Aussage der „Fragen eines lesenden Arbeiters“ von Bertold Brecht.

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon,
Wer baute es soviele Male wieder auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend,
wo die chinesische Mauer fertig war,
Die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. über wen
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
Nur Paläste für seine Bewohner?
Selbst in dem sagenhaften Atlantis
Brüllten doch in der Nacht, wo das Meer es verschlang,
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.

Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?

Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte,
So viele Fragen.

Brecht schrieb dieses Gedicht 1935 im dänischen Exil. Die Aufforderung nach Hinterfragen der uns offiziell „servierten“ Geschichte ist mehr als aktuell.

Diesem Gedicht möchte ich ein weiteres Zitat hinzufügen:

Immer doch schreibt der Sieger die Geschichte der Besiegten.
Dem Erschlagenen entstellt der Schläger die Züge.
Aus der Welt geht der Schwächere und zurück bleibt die Lüge.

 

 

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