Seit Wochen wird der Untergang der DDR thematisiert. Im Fernsehen laufen Dokumentationen und Diskussionen, Reden werden geschwungen, Leute interviewt, Filme werden gezeigt usw. Nur hat vieles von dem was mir dort zur Konsumtion angeboten wird, wenig mit dem zu tun, was ich erlebt habe. Die Erinnerungen sind hier und da noch frisch, an anderer Stelle dagegen verschüttet, teilweise sind die Grenzen hier fließend – wie es wohl immer so ist mit Erinnerungen.
Wir, denen ja irgendwie die Heimat abhanden gekommen ist, stehen diesem Medienbrei der Gauckler und ihrer Helfershelfer teilweise fassungslos gegenüber. Diese Fassungslosigkeit findet sich überall: in Gesprächen, auf Blogs, manchmal sogar in den Medien. Hier eher spärlich und am Rande, aber immerhin gelingt es offensichtlich nicht einmal den Wortumdrehern und -umdeutern diese Erinnerung an eine andere als die dargebotene Geschichte vollständig zu unterdrücken.
Nur – diese Erinnerung wird irgendwann verschwinden. Wir werden sie wortwörtlich mit ins Grab nehmen. Es ist nun mein halbes Leben her, das die Ereignisse stattfanden. Und doch sind wir von diesem Land DDR geprägt, in ihr aufgewachsen, zu einem guten Teil ausgebildet, erzogen worden. DDR-sozialisiert. Man erkennt sich, fühlt ähnlich.
Diese emotionale Nähe hat sich heute bei mir eingestellt, als ich einen Beitrag in einem anderen Blog las. Dieser Beitrag vom Emil gibt meine Gefühle so genau wieder, dass ich aus dem Staunen gar nicht heraus komme. Einige wenige Sätze haben es mir besonders angetan, sie hätten praktisch von mir sein können. Ich hätte sie lediglich nicht so schön formulieren können.
Nun stamme ich ja aus einem untergegangenen Land (vielleicht ist es gar nicht untergegangen, vielleicht versteckt es sich nur in den Erinnerungen, in den Köpfen der Menschen, die in ihm lebten und aus ihm etwas Schöneres machen wollten – nicht das kaputte Dingens, das jetzt davon übrig geblieben ist), aus einem Land, von dem gesagt wird, es habe seine Menschen systematisch beschädigt, kaputtgemacht. Nein, dieses Land hat es nicht getan. Obwohl ich wegen meines Austrittes aus der SED (übrigens schon zum Jahreswechsel 1987/88, als von den Umwälzungen noch nichts zu ahnen war) Nachteile in Kauf nehmen mußte; doch die kamen nicht von dem Land, sondern von Menschen, die in diesem Land verantwortlich waren für viele Dinge. In gutem Glauben haben sie gehandelt, diese Menschen, wie auch ich. Ganz im Gegenteil behaupte ich, daß mir dieses Land viel Gutes hat angedeihen lassen wie z. B. Förderung, Bildung, Sicherheit
Viel schlimmere Beschädigung verursachte das neue Land, das, in dem man mir mein bisheriges Leben madig machte, für “unwürdig”, unterdrückt, eingesperrt, eingeengt erklärte. Meine Erlebnisse und Erfahrungen wurden für Null und Nichtig erklärt. Da wurde mir mein Leben aberkannt. Mir die Deutungshoheit über mich und mein Leben entzogen. Gegen diesen Vorgang setze ich mich noch immer zur Wehr, diese Abwertung erst hat mein Leben beschädigt mehr als alles andere.
Danke Emil …
Vielen Dank zunächst.
So wie Dir und mir wird es vielen gehen, die zur damaligen Zeit zwischen 20 und 40 waren. Nicht alle werden es laut sagen, öffentlich schreiben oder sonstwie sich dazu bekennen. Manche hat die ohnmächtige Wut vielleicht auch verstummen lassen. Aber das, was die Bundesrepublik mit ihren Medien und ihrer Politik mit unseren Biographien zu veranstalten versuchte, versucht und teilweise auch erfolgreich durchgeführt hat, darf nicht vergessen werden: Eine so durchgängige Abwertung gab es vorher wahrscheinlich nicht.
Zornig kämpfe ich gegen das Vergessen, um Anerkennung meines Lebens als das, was es war (und noch ist), nämlich mein Leben. Und genauso zornig bin ich, wenn von uns allen jetzt verlangt wird, ein Land, das durchaus ein Rechtssystem hatte (auch wenn es nicht das neoliberale System der heutigen BRD und schon gleich garnicht das unverständliche, von den Menschen nicht gewollte und nicht verstandene EU-Rechtssystem war), als Unrechtsstaat zu bezeichnen. So.
Mit geballter Faust in der Tasche grüßt
Der Emil