Rainer Rupp – ja, der ehemalige Spitzenagent der HVA des MfS der DDR im NATO-Hauptquartier – publiziert u.a. in der Tageszeitung „Junge Welt“. Heute wurde von ihm eine allgemeine Einschätzung zur Lage in der Ukraine veröffentlicht. Da ich sie für sehr informativ halte, möchte ich den Artikel ungekürzt an euch weiter geben:
Sitzt der Westen am kürzeren Hebel?
Im Osten und Süden der Ukraine widersetzt sich die Bevölkerung dem prowestlichen Kurs der von Faschisten durchsetzten Putschisten aus der Westukraine, die in Kiew die Macht übernommen haben. Die ostukrainische Stadt Charkow wird dabei zunehmend zum Zentrum dieses Widerstandes. Rufe nach Sezession vom Westen des Landes werden laut.
Der Drang zur Teilung der Ukraine wird noch dadurch verstärkt, daß am Sonntag das Parlament in Kiew, bewacht vom »Rechten Block«, das Sprachengesetz gekippt hat. Dieses hatte der großen Mehrheit der russischsprachigen Bevölkerung im Osten bisher gewisse Rechte beim öffentlichen Gebrauch ihrer Sprache gewährt.
Eine Teilung wollen die Gegner des entmachteten Präsidenten Wiktor Janukowitsch und ihre westlichen Helfershelfer jedoch mit allen Mitteln verhindern und das aus gutem Grund: Der hoch industrialisierte Osten ist, gemessen am ukrainischen Durchschnitt, reich, der landwirtschaftliche Westen dagegen größtenteils bettelarm.
Laut offiziellen Zahlen des Statistischen Dienstes der Ukraine trägt die im Osten angesiedelte Schwerindustrie mindestens dreimal mehr zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes bei als es die Landwirtschaft und die Kleinbetriebe im Westen tun. So haben Regionen im Osten in der Regel ein weitaus höheres Pro-Kopf-Einkommen. Für das Jahr 2011 werden zum Beispiel 4748 Dollar in der östlichen Region Dniperpropetrowsk, eines der wichtigsten Industriezentren der Ukraine, genannt während das Pro-Kopf-Einkommen in der Region Lwiw im Westen der Ukraine und zugleich politisches Zentrum der Putschisten mit 2312 Dollar weniger als die Hälfte betrug.
Die übrigen Westregionen sind noch viel ärmer. Von einigen Ausnahmen um Kiew abgesehen liegt die Mehrheit der größten ukrainischen Unternehmen im Osten. Es sind Bergbau- und Stahlunternehmen, weiterverarbeitende Betriebe und Energieunternehmen. Sie exportieren hauptsächlich nach Rußland. Durch eine Assoziierung des Landes mit der EU hätten sie am meisten zu verlieren.
Derweil klagte der vom Parlament ermächtigte Übergangspräsident Alexander Turtschinow am Sonntag mit Blick gen Westen: »Die Ukraine hat kein Geld mehr.« Die Lage sei »katastrophal«, die Probleme mit der Zahlung von Renten seien »kollosal« und das Land stünde »vor der Pleite« – was nach den monatelangen Unruhen kein Wunder ist. Politiker in Berlin, Brüssel und Washington haben 20 Milliarden Euro »Hilfe« in Aussicht gestellt, diese jedoch an harte und einschneidende wirtschaftliche Bedingungen geknüpft. Dazu gehört insbesondere, daß unter Aufsicht des Internationalen Währungsfonds die angeblichen »Wahlgeschenke« von Präsident Janukowitsch, nämlich die Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiter und Rentner, im »bewährten« neoliberalen Stil wieder rückgängig gemacht werden sollen.
Da aber der weitaus größte Teil des Reichtums der ukrainischen Nation im östlichen, prorussischen Teil des Landes liegt, müßte sich die dortige Bevölkerung erst einmal der neuen Führung in Kiew, deren westlichen Beratern und den in deren Gefolge auftauchenden »Privatisieren« des noch verbliebenen Volkseigentums beugen. Im Westen sorgt man sich bereits, daß bei ausbleibenden Rentenzahlungen, steigenden Lebensmittelpreisen und unbezahlbarer Energie »der Geist des Maidan schnell verfliegen könnte« (Deutschlandfunk am 24.2.14).
An der Ukraine scheint sich die westliche Umsturzgemeinschaft verhoben zu haben, und wenn der Kreml auf die Entwicklungen bisher ruhig und besonnen reagiert hat, so dürfte das auch damit zu tun haben, daß er – was die Ukraine betrifft – am längeren Hebel sitzt.
„Junge Welt“ vom 25.02.2014
Es bleibt also abzuwarten, ob in der Ukraine nunmehr tatsächlich „Frieden und Demokratie“ Einzug halten …
Ja – gute Einschätzung. Deckt sich mit den Lageberichten meiner Freunde in Kiew und in Rußland.
In den gleichgeschalteten Medien der BRD liest und hört man nur Müll.
Trotzdem bleibt eins:
Der Westen hat den längeren Hebel. Wir Ossis wissen das…Seit 1989. Leider…
Ich habe die Hoffnung, dass sich auch hier zeigen könnte, wie sehr sich unsere „Spitzendiplomaten“ verrechnet haben. Ein Machtwechsel um jeden Preis, Hauptsache gegen Russland gerichtet und auch wenn es sich um Nazis o.ä. Extremisten handelt, kann heute nicht das Allheilmittel sein. Allerdings fürchte ich, dass sich die Gewaltspirale weiter drehen wird …